Strahlenschutz

Leben im Funkloch: Auf der Flucht vor Handy-Strahlen

Elektrosensible fordern Rückzugsräume ohne Mobilfunk-Versorgung
Von dpa / Marie-Anne Winter

Ulrich Weiner wohnt im Wald - aus Angst vor Handy-Strahlen. Der 31 Jahre alte gelernte Kommunikationstechniker lebt seit sechs Jahren in einem Wohnwagen. Er fährt im Schwarzwald von Funkloch zu Funkloch. "Wenn ich mich über mehrere Stunden in einer Stadt aufhalte, erleide ich einen Zusammenbruch", sagt Weiner. Er sei ein Elektrosensibler. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) leiden 6 Prozent der Deutschen körperlich unter Handy-Strahlung - Tendenz steigend.

Fälle wie Ulrich Weiner sind jedoch eine Ausnahme. "Ich war schon in frühester Kindheit ein Technik-Freak", sagt Weiner. Bereits während der Ausbildung baute er eine Firma zum Verkauf von Mobiltelefonen auf. Zuletzt hatte er 20 Mitarbeiter. "Ich habe täglich mehrere Stunden mit dem Handy telefoniert." Doch seit 2001 habe er mehrere schwere Herz-Kreislauf-Zusammenbrüche gehabt. In ländlicher Gegend abseits der Mobilfunknetze habe er sich jeweils schnell wieder erholt.

Für Weiner und auch für mehrere Ärzte ist die Ursache der Gesundheitsschäden in den Mobilfunknetzen zu suchen. Der Arzt Joachim Mutter, der Weiner mehrfach untersucht hat, sagt: "Herr Weiner hat keinerlei psychische Störung, sondern er ist elektrosensibel." Bei ihm sei eine Empfindlichkeit für elektrische Felder und Strahlung gegeben. Laut Umweltinitiativen gibt es im Schwarzwald mehrere Dutzend Menschen, die - zumindest zeitweise - aus gesundheitlichen Gründen in Funklöchern leben.

Kaum noch Schlupflöcher

"Es geht um meine Existenz", sagt Weiner. Die Schlupflöcher würden bei einer derzeit offiziellen Netzabdeckung von 99,1 Prozent immer dünner. Er sei seit 2004 krankgeschrieben, lebe in seinem Wohnwagen von Erspartem. Wenn er sich zu Vorträgen in Freiburger Schulen begibt, trägt er einen weißen Strahlenschutzanzug. Freunde chauffieren ihn in seinem Auto. Die Fahrt absolviert er hinter zwei mit Silberfäden durchzogenen Baldachinen, die über dem Rücksitz hängen. Um sich vor Strahlen zu schützen, besetzt Weiner auch mal Funkmasten oder deckt Mobilfunkantennen mit Planen ab.

Allerdings betonen Wissenschaftler, Gesundheitsrisiken durch Mobilfunkstrahlen seien nicht nachweisbar. Eine groß angelegte und über sechs Jahre dauernde Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz sowie des Bundesumweltministeriums gab ebenfalls Entwarnung.

"Wir haben keine Hinweise gefunden, dass es erhöhte Risiken für die Gesundheit durch Handy-Strahlung gibt", sagt Thomas Jung, Abteilungsleiter Strahlenwirkung und Strahlenschutz am Bundesamt für Strahlenschutz, über die 17 Millionen Euro teure Studie. Allerdings seien Langzeitergebnisse sowie die Wirkung auf Kinder noch nicht ausreichend erforscht. Umweltverbände kritisieren die Studie, weil die Hälfte der Kosten von den vier deutschen Mobilfunk-Netzbetreibern getragen wurden.

"Keine Behörde fühlt sich für mich zuständig", sagt Weiner. Mehrfach sei er wegen illegalen Campens von Förstern angezeigt worden. Das Amtsgericht Freiburg verhängte ein Bußgeld von 35 Euro. Weiner weigert sich, dieses zu bezahlen. Doch es gehe ihm um noch mehr. "Der Erhalt von Funklöchern muss gesetzlich geschützt werden, damit Menschen wie ich eine Chance bekommen, mit Familie dauerhaft an einem Ort zu wohnen." In Schweden sei dies bereits der Fall.

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